EUnbrauchbar - Gedanken zur "Digitalpolitik" der Europäischen Union, Teil 1

Kinners, man hat es echt nicht leicht mit Europa. Und ich meine damit mal nicht Spaltpilze wie Marine "Je m'apelle Adolf" Le Pen, H.C. "Alpen-GröFaz" Strache und andere Idioten. Dieses mal rede ich von einem hausgemachten Problem. Es geht nämlich darum, dass Europa, vor allem die großen Kernländer Europas, im IT-Bereich immer mehr zurückfallen. Der Markt wird längst, mit einigen Ausnahmen, von US-Konzernen dominiert. Egal ob Hardware, Betriebssysteme, oder Anwendungen, praktisch alle ernstzunehmenden Marktteilnehmer stammen aus den USA. Und ja, die EU-Kommission hat schon recht, wenn sie dies als potentielles Problem ansieht. Der aktuelle politische Amoklauf des Trump-Regimes zeigt dies ganz deutlich. Und ja, mir wäre es, obwohl ich mein MacBook nach wie vor sehr gerne nutze, lieber, wenn es zwischen Windows und MacOS noch weitere alternative Betriebssysteme gäbe. Damit meine ich wohlgemerkt nicht irgendwelche heillos zersplitterten Linux-Distris, deren Communities vor allem aus dauerfrustrierten Terminalfetischisten bestehen, welche den Standpunkt vertreten das alles, was auch nur im entferntesten mit Benutzerkomfort zu tun hat, ein Werk des Teufels ist. Gleiches gilt im Mobilsektor, wo man mittlerweile nur noch zwischen iOS und Android wählen kann.
Allerdings ist der Ansatz, der sowohl von der EU, als auch von den Regierungen der großen Mitgliedsstaaten benutzt wird, um dieses Problem zu lösen in meinen Augen vollkommen unbrauchbar. Es wird von oben herab verordnet, irgendwelche millionenschweren Initiativen gestartet, ein extrem langer bürokratischer Name wird gefunden, an den jedoch, um es relevant klingen zu lassen, noch das Präfix "Cyber-" gehängt wird, und das wars. Dann gehen auf einmal Jahre ins Land, und wenn überhaupt dabei etwas heraus kommt, dann ist dies eine unglaublich verkopfte unbrauchbare Lösung, die man am besten gleich wieder in der Versenkung verschwinden lässt.
Die Website der EU zeigt das typische Problem des europäischen Denkweise: Uninspiriert, nicht risikobereit, und mit kaum einen Gedanken an Ästhetik oder Ergonomie.
Die Gründe dafür sind mannigfaltig, da hätten wir einerseits eine generelle Apathie und Ablehnung einer immer älter werdenden Bevölkerung in weiten Teilen Europas, andererseits eine extrem obrigkeitsfixierte Politik, die das Problem komplett verkennt und, wie gerade bereits angesprochen, meint, mit der inflationären Benutzung des Präfix "Cyber-" ihre eigene Inkompetenz überdecken zu können. Und genau diese Obrigkeitsfixierung ist hier das Problem. Denn Microsoft, Apple, Facebook, Google, aber auch Silicon-Valley-fremde Unternehmen wie Dell sind nicht zu den marktdominierenden Giganten geworden die sie heute sind, nur weil sie aus den USA stammen. Sie wurden auch nicht auf Dekret der Regierung in Washington aus der Taufe gehoben, sondern haben sich organisch entwickelt. Ihr massiver Erfolg hat andere Gründe, auch wenn einige im Zusammenhang mit ihren Gründungsorten stehen.
Wenn man sich die Gründungsgeschichte sowohl von Apple als auch von Microsoft ansieht, dann erkennt man eine interessante Parallele. Beide Unternehmen sind erst richtig durchgestartet, als sie Produkte mit grafischen User Interfaces vorstellten, den Apple Macintosh auf der einen, und Microsoft Windows auf der anderen Seite. Zugegeben, Heimcomputer waren schon vorher zum Verkaufsschlager mutiert, allerdings waren es die grafischen Interfaces, und die Möglichkeit der Mausbedienung, die eine Nutzung auch für normalsterbliche leicht machten. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch die IT-Revolution, die Anfang der 1990er ins Rollen kam. Gerade bei Systemen für Privatanwender ist der Komfort besonders wichtig, und wer in dem Bereich punkten konnte, hatte schon einen Riesenvorsprung. 
Und genau da haben Unternehmen wie Apple, Google, und andere immer wieder punkten können. Google wurde nicht als dominierende Macht aus der Taufe gehoben. Ihr Erfolg fußt darauf, dass der verwendete Suchalgorithmus allen anderen damals dominierenden Suchmaschinen überlegen war, und es ganz offen bis heute ist. Gleiches gilt für deren Emaildienst Gmail. Es war eine Offenbarung für mich, als ich anno dunnemals von GMX zu Gmail gewechselt bin. Der Speicherplatz war enorm, die Bedienung deutlich einfacher und bequemer als das deutsche Konkurrenzprodukt, von der Qualität des Spamfilters ganz zu schweigen. Während GMX selbst ordentlich mitgespammt hat, war der Junkmail-Ordner meines Gmail-Postfachs meist leerer als eine Disko mit einem übertrieben strengen Türsteher. Das gleiche gilt für Mobilbetriebssysteme. Ich denke immer noch mit Grausen an Symbian, da waren iOS und Android selbst in ihren frühen Phasen deutlich komfortabler. 
Egal ob es iOS ist,...

... oder Android, beide großen Platzhirsche unter den mobilen Betriebssystemen stammen aus den USA

Die Geschichte lässt sich beliebig fortsetzen, z.B. im Bereich der sozialen Netzwerke mit Wer kennt Wen gegen Facebook, oder auch mit dem grottenschlechten WeTab als Konkurrenz zum 2011 auf den Markt gekommenen iPad. Im Endeffekt hat bis dato immer eine komfortable User Experience, um mal linguistisch bei den Angelsachsen zu wildern, wesentlich dazu beigetragen, dass sich bestimmte Produkte gegen andere, teils technisch überlegene, Konkurrenzprodukte durchsetzen. Zu diesem Komfort gehört einerseits, dass sich neue Nutzer schnell zurecht finden, ohne erst lange Handbücher wälzen, oder sich durch Online-Communities graben zu müssen. Alltägliche Schritte, wie z.B. bei einem Betriebssystem die Installation von neuen Programmen, oder das starten von bereits installierten Programmen, müssen schnell und komfortabel von der Hand gehen, ohne sich lang im Terminal oder der Eingabeaufforderung mit kryptischen Kommandozeilen abgeben zu müssen. Andererseits gehört zum Komfort aber auch, dass die Bedienoberfläche einladend und angenehm wirkt. Auch wenn es noch immer Masochisten gibt, die der Meinung sind, dass Windows 98 das beste und praktischte Betriebssystem aller Zeiten war, bedeutet dies noch lang nicht, dass diese Leute die Mehrheit bilden. Geschmäcker verändern sich, gleiches gilt für Ästhetik.
Wenn man also ein Produkt entwickeln will, dass es mit Windows, Android, iOS, Facebook oder Google aufnehmen kann, dann führt kein Weg daran vorbei, den Komfort gleichwertig mit der Funktionalität zu behandeln. Eine beamtlich-bürokratisch verkopfte Linux-Distribution wird am Markt schneller vor die Hunde gehen, als eine einsame Gehirnzelle auf einem AfD-Parteitag. Und auch wenn es eine ganze Reihe von Richtlinien, Untersuchungen und Abhandlungen über ein möglichst ideales Nutzerinterface gibt, führt jedoch nichts an Experimenten und Tests vorbei.

Dies war der erste Teil einer vierteiligen Artikelreihe zum völligen Versagen der EU, und der meisten europäischen Staaten, in der Digitalpolitik die nötigen Akzente zu setzen, um zu einem ernstzunehmenden Gegengewicht für die marktbeherrschenden US-IT-Riesen zu werden. Im nächsten Teil nehme ich mir die Wiege von Unternehmen wie Apple oder Microsoft vor, und welche Faktoren zusammengekommen sind, um das Silicon Valley erst zu ermöglichen.

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